Franziskusweg

Jesus hat Menschen fasziniert. Damals. Vor 2000 Jahren. Und immer wieder neu. Bis heute. Doch Nachfolge ist mehr als Faszination. Jesus nachfolgen ist eine Lebensbeziehung.

Der heilige Franziskus hat das begriffen. Er hat aus dieser Faszination heraus seine bisherige Lebensweise radikal verändert, um die Botschaft Jesu ernst zu nehmen und glaubhaft weiterzugeben.

Viele Bezeichnungen hat man seither für ihn gefunden: der unvergleichliche Heilige, der sanfte, gewaltlose Heilige, der anstößige Heilige, der Menschlichste aller Heiligen, der Befreier von der "Tyrannei der Dinge", der glaubhafte Heilige der Nichtgläubigen, der Meister des Gebetes, der Bruder der Schöpfung. Er selbst nannte sich den "größten Verrückten der Welt" und den "Hofnarr der Menschheit".

Wer war dieser Franziskus von Assisi und wie wirkt er bis in unsere Zeit hinein, dass ihn die Leser der US-Zeitung Times im Jahr 1998 zum Mann des Jahrtausends gewählt haben?

Franziskus wurde 1181/82 als Sohn des reichen Tuchhändlers Pietro Bernadone in Assisi im mittelitalienischen Umbrien geboren. Sein eigentlicher Taufname war Giovanni. Doch, weil er auf Grund seiner französischen Mutter eine Vorliebe für deren Sprache entwickelte, wurde er Francesco (Französlein) genannt.

Das Leben seiner Familie war von Reichtum und Überfluss geprägt, was ihm innerhalb der großbürgerlichen Jugend viele Freunde einbrachte.

Aus dem Drang heraus, Ritter zu werden und Ruhm und Ehre zu erwerben, nahm Franziskus als junger Mann an einem Feldzug gegen die Nachbarstadt Perugia teil. Er geriet jedoch in Gefangenschaft und verbrachte ein Jahr im Kerker, was in ihm eine starke Krise auslöste.

Wieder in Freiheit beteiligte er sich an einem weiteren Feldzug nach Süditalien, bei dem er eines Nachts einen Traum hatte, in dem Gott ihn ansprach: "Welchem Herrn willst du dienen, einem geringen oder dem größten?" Darauf brach er seine Kriegstätigkeit ab und beschloss, sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen.

Bei der Rückkehr nach Assisi begegnete Franziskus einem Aussätzigen. Er stieg vom Pferd und umarmte den kranken Mann, was zur damaligen Zeit ein beispielloser Tabubruch war und ihn selbst betroffen machte. Er bezeichnete dieses Erlebnis als den entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben, denn da erkannte er, dass Gott uns gerade in der Gestalt der Armen und Ausgegrenzten begegnet.

Pietro Bernadone wollte das neue Leben seines Sohnes nicht akzeptieren und enterbte ihn. In einer dramatischen Szene auf dem Marktplatz von Assisi zog sich Franziskus nackt aus, übergab die Kleider seinem Vater und stellte sich unter den Schutz des Bischofs. Zu seinem Vater sagte er: "Ab heute sage ich nicht mehr Vater Pietro Bernadone, sondern Vater im Himmel".

Als er sich eines Tages in der zerfallenen Kirche von San Damiano zum Gebet aufhielt, hatte er eine Vision: Christus sprach zu ihm vom Kreuz herab: "Baue meine Kirche wieder auf, die ganz zerfällt!" Franziskus nahm den Auftrag ernst, erbettelte sich Baumaterial und renovierte die Kirche. Mit der Zeit erkannte er, dass dieser Auftrag auch im übertragenen Sinn zu verstehen war, als eine Aufforderung zur Reform der ganzen Kirche, die damals unter Spaltungen und Machtmissbrauch litt.

Nach und nach schlossen sich ihm die ersten Gefährten an. Die Gemeinschaft gab sich eine Regel, die aus Zitaten des Evangeliums bestand, und begann mit einer einfachen Predigttätigkeit. Der Orden der "Minderen Brüder" entstand - ordo fratrum minorum. Auf Grund ihrer besonderen Lebensweise wurde die Gruppe der Minderbrüder immer wieder der Ketzerei beschuldigt, ein im Mittelalter lebensgefährlicher Vorwurf. Deshalb zog Franziskus mit seinen Gefährten nach Rom, wo die Kardinäle und der Papst sehr beeindruckt waren von ihrem Lebensstil und ihrer Radikalität.

Papst Innozenz III, einer der mächtigsten Männer des Mittelalters, der auf wirtschaftliche und politische Macht der Kirche pochte, bestätigte die Regel der Franziskaner, die auf Besitzlosigkeit, Demut und Gewaltlosigkeit basierte.

Im Jahr 1212 schloss sich die erste Frau der Idee an, die junge Adelige Klara von Assisi (später die heilige Klara). Sie wurde die Begründerin des weiblichen Zweiges des Franziskanerordens, der Klarissen, und war Franziskus Zeit ihres Lebens in Freundschaft verbunden.

Die Gemeinschaft der Franziskaner wuchs in den darauf folgenden Jahren stark an und verbreitete sich rasch über ganz Europa.

Als Franziskus 1219 nach Palästina reiste, um die Wirkungsstätten Jesu kennen zu lernen, nahm er die Grausamkeiten der Kreuzritter wahr und forderte diese auf, den Krieg zu beenden; er wurde jedoch von ihnen nicht ernst genommen und ausgelacht.

Nach seiner Rückkehr kam es auch zu Konflikten im eigenen Orden. Manche seiner Brüder wollten eine Lockerung des Armutsgebotes und weg vom Dienst an den Armen zu mehr Predigttätigkeit. Enttäuscht über die Verwässerung seiner Ideale trat Franziskus als Generalminister (Leiter des Ordens) zurück.

Im Vertrauen auf den Heiligen Geist verfasste er dennoch eine neue Regel, die wiederum vom Papst bestätigt wurde. In ihr war die Verpflichtung zur Armut noch einmal bekräftigt, sie nahm aber Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse einer großen Gemeinschaft, die auch außerhalb des Ordens Anhänger hatte.

1224, als sich Franziskus zu einem vierzigtägigen Fasten auf den Berg Alverna zurückgezogen hatte, hatte er eine Vision des gekreuzigten Christus, nach der er dessen Wundmale an seinem Körper empfing. Er verbarg diese jedoch vor seinen Mitbrüdern.

Im Alter von 43 Jahren war Franziskus bereits schwer krank. Er litt an Malaria und an einer Augenkrankheit, die zur völligen Erblindung führte. In dieser Situation verfasste er seinen "Sonnengesang", in dem er seine Verbundenheit mit der ganzen Schöpfung noch einmal betonte, und in dem seine Haltung des Dankes und des Vertrauens gegenüber Gott, dem Schöpfer, zum Ausdruck kommt.

Am Abend des 3. Oktober starb er im Kreise zahlreicher Mitbrüder, die er noch einmal segnete. Da nach damaliger Zeitrechnung der Abend bereits dem darauf folgenden Tag zugeschrieben wurde, ist sein Gedenktag der 4. Oktober.

In seinem Testament betonte Franziskus noch einmal zwei seiner wichtigsten Anliegen: die Liebe zu Christus durch ein einfaches und demütiges Leben in Gemeinschaft mit den Armen und die Liebe zu Christus durch Verbundenheit mit der von ihm gegründeten Kirche.

Bereits zwei Jahre später wurde Franziskus vom Papst heilig gesprochen. Sein Orden breitete sich weiter aus und besteht heute auf der ganzen Welt.

In unserem Landkreis sind Franziskaner in der Wallfahrerseelsorge am Kreuzberg tätig. Daneben gibt es eine franziskanische Laienbewegung, den sog. Dritten Orden. Doch die Spiritualität des heiligen Franziskus reicht weit über die Grenzen des Ordens und auch über die des Christentums hinaus. Franziskus - ein Mann des zweiten Jahrtausends.